Beim Bau des U-Boot-Bunkers Valentin in Bremen-Farge arbeiteten von 1943-45 mehr als zehntausend Zwangsarbeiter. Mindestens tausend von ihnen starben durch Totschlag, Unfälle, Krankheit oder unzureichende Ernährung.

Zur Eröffnung des Denkorts Bunker Valentin am 8. November 2015 montierte ich Zeugnisse von Raymond Portefaix, Stanislaw Masny und Elio Materassi mit Auszügen aus meinen Stücken No Living Thing (2002), Zersprengte Weite (2001) und Erzählung (2000).

Sprecher: Thibaut Delabarre, Marek Majewski, Riccardo Castagnola
Textauswahl und Regie: Simon Makhali
Idee: Christel Trouvé
Sprachaufnahmen: Riccardo Castagnola

(Portefaix)

(Masny)

(Materassi)

TEXTE

  • Raymond Portefaix, L'enfer que Dante n'avait pas prévu
    (Deutsche Übersetzung: Gisela Riesenberger)

    Un vorarbeiter polonais parvient à prendre avec lui tous ses compatriotes: parlant tous la m1eme langue, la tâche sera facilitée, le rendement meilleur, dit-il au kapo. On les remplace par des Français. Nous somme bons á tout. […] On n'entend partout que 'franzôse'. Franzôse par ci, Franzôse par lá. Kapos, contremaîtres, détenus grecs, russes, polonais, hongrois, tous se liguent pour faire de nous les souffre-douleur. Quelque chose ne va pas: c'est un Français. Un effort à fournier, les Français. Combien de temps pourrai-je tenir à ce rythme?
    Einem polnischen Vorarbeiter gelingt es, all seine Landsleute mitzunehmen: weil alle dieselbe Sprache sprächen, werde die Arbeit leichter und ihre Leistung besser, sagt er zum Kapo. Man ersetzt sie durch uns Franzosen. Wir sind zu allem zu gebrauchen. […] Man hört überall nur: "Franzose!" Franzose hierher, Franzose dahin. Griechische, russische, polnische und ungarische Kapos, Vorarbeiter und Häftlinge verschwören sich, um uns zu Prügelknaben zu machen. Wenn etwas nicht klappt, dann war es sicher ein Franzose. Geht es um schwere körperliche Arbeit – Franzosen. Wie lange werde ich dieses Arbeitstempo durchhalten?
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    Je vais rôder autour des cuisines, à l'affût d'une bonne occasion. Une caisse sort de la "schaël küche"1 remplie d'épluchures de rutabagas. De tous côtés, c'est une ruée infernale d'où chacun se tire avec au moins un coup de bâton et parfois une poignée terreuse d'épluchures. Elles crissent un peu sous les dents…, ce sera plus long à digérer.
    Ich schleiche um die Küche auf der Lauer nach einer guten Gelegenheit. Eine Kiste voller Steckrübenschalen kommt aus der Schälküche. Von allen Seiten herrscht höllischer Andrang, bei dem jeder wenigstens einen Stockschlag abkriegt – und manchmal eine Handvoll Schalen, an denen noch Erde klebt. Sie knirschen ein wenig zwischend en Zähnen, aber dafür dauert es länger, bis man sie verdaut hat.
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    L'après-midi se passe magnifiquement. Pendant que les kapos jouent au cartes les cigarettes qu'ils nous ont volées, un jenue ami, connu à Compiègne, François de Voguë, vient me chercher pour écouter Maurice Bourdet. L'ancien rédacteur en chef du Poste Parisien […] nous grise de sa parole souple, lumineuse. Très grand, rendu plus grand encore par la maigreur qui fait paraître ses mains presque roses à la lumière, il ne vit que par les yeux: deux trous bleus, profonds, immenses, un regard tourné vers l'intérieur, qui lit dans sa pensée pour nous en faire connaître, en uns musique limpide, toute la richesse. Verlaine, sa vie, son génie, sa folie, Maurice Bourdet nous les peint en touches délicates, précises. Durant plusieurs heures, dant le trou sombre du bunker, vibrant des soupirs des dormeurs fatigués, une poignée d'hommes aux os saillants s'est bercée d'illusions paradisiaques en écoutant chanter les malheurs d'un poète.
    Der Nachmittag verläuft großartig. Während die Kapos Karten spielen und die Zigaretten qualmen, um die sie uns betrogen haben, holt mich François de Voguë ab, ein junger Freund, den ich in Compiégne kennengelernt habe, um Maurice Bourdet zu hören; der frühere Chefredakteur des Poste Parisien […] beeindruckt uns tief mit seinen gewandten, glänzenden Worten. Da er sehr mager geworden ist, erscheint er noch größer als sonst, seine Hände schimmern bei Licht in zartem Rosa, und das einzig Lebendige an ihm sind seine Augen: zwei blaue Höhlen, tief und auffällig groß, ein nach innen gewandter Blick, der in seinen Gedanken liest, um uns in einem Vortrag voller musikalischer Ausdruckskraft deren ganzen Reichtum zu vermitteln. Verlaine, sein Leben, sein Genie und seinen Wahnsinn, all das zeichnet uns Maurice Bourdet in feinen, klaren Pinselstrichen. Mehrere Stunden lang wiegt sich eine Handvoll Menschen, die nur noch aus Haut und Knochen bestehen, in der dunklen Höhle des Bunkers, in dem die Seufzer der müden Schläfer schwingen, in paradiesischen Illusionen, während sie der Leidensgeschichte eines Dichters lauschen.
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    Je m'affale. Les angles rudes de la pierre me pénètrent comme des couteaux. Ces os qui pointent et se hérissent de tout part, c'est moi. Cette peau âpres, sèche qui bruisse sous mes doigts gercés, c'est la mienne!
    Ich sinke in mich zusammen. Die rauen Betonkanten spüre ich wie Messer. Diese Knochen, die am ganzen Körper hervorstehen, das bin ich. Diese raue, schrumplige Haut, die unter meinen aufgesprungenen Händen knistert, das bin ich!

  • Stanilaw Masny, Tagebuch 1944-45
    (Deutsche Übersetzung: Eva Kobler)

    Nie żyjesz już! Zginąłeś! Bratnia bomba cię trafiła! Zginąłeś 4 stycznia o godz. 10.55 wieczorem. [...] Ta bomba, od której spodziewałeś się wyzwolenia, przyniosła Ci zgubę – śmierć. [...] Już nie wrócą więcej nasze wspólne, kochane warszawskie chwile. Już nie będziemy razem więcej czytać po kryjomu gazetek podziemnych, zachwycać się Żeromskim, Przybyszewskim, Słowackim, Mickiewiczem! Nie będziemy więcej prowadzić sporów religijnych. Nie będziemy razem więcej chodzić na wagary! Nie będziemy się uczyć fokstrotów i walców angielskich. Rychu, Rysiu, Rysieńku! [...] Spoczywaj w pokoju! [...] Cześć Twej pamięci!
    Du lebst nicht mehr! Du bist gestorben! Eine brüderliche Bombe hat Dich getroffen. Du bist am 4. Januar um 22:55 Uhr gestorben. [...] Diese Bombe, von der Du Dir die Befreiung erhofft hast, hat Dir den Verlust gebracht – den Tod. […] Nie werden unsere schönen gemeinsamen, geliebten Warschauer Zeiten zurückkommen. Wir werden nie mehr zusammen eine verdeckte Widerstandszeitung lesen, uns für Żeromski, Przybyszewski, Słowacki, Mickiewicz begeistern! Wir werden nie mehr Streitgespräche über religiöse Fragen führen! Wir werden nie mehr die Schule schwänzen! Wir werden nie mehr Foxtrott und englischen Walzer üben! Rychu, Rysiu, Rysieńku! [...] Ruhe in Frieden! [...] Ehre Deinem Andenken!
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    Cały tydzień chodziłem bez śniadania do roboty. W piątek i sobotę ledwo już chodziłem. [...] Brak w ogóle chęci do życia. Żyje się jak zwierzę: robota, żarcie, spanie. [...] Kiedy powróci to dawne życie warszawskie? Czy w ogóle wróci? Czy nie zginę jak śp. Rysio? Kto to wie?
    Die ganze Woche bin ich ohne Frühstück zur Arbeit gegangen. Am Freitag und am Samstag konnte ich fast nicht mehr laufen. […] Ich habe im Moment überhaupt keinen Lebenswillen. Man lebt wie ein Tier: Arbeit, Fütterung, Schlafen. [...] Wann kommt das alte Warschauer Leben zurück. Wird es überhaupt jemals wiederkommen? Sterbe ich wie Rysio – Gott hab ihn selig! - ? Wer weiß das?

  • Elio Materassi, Quarantaquattro mesi di vita militare. Diario di guerra e di prigionia
    (Deutsche Übersetzung: )

    La temperatura è rigidissima, il termometro è sceso anche a 17° sotto lo zero. Noi che dobbiamo lavorare fuori all'aperto, non sappiamo come fare a resistere in queste condizioni di tempo. [...] Pensare che quando siamo nel piazzale, il vento gelido che tira, ti appiccica la neve alla facia, che subito si trasforma in ghiaccio, facendoti soffrire per il mal di testa. Le mani e i piedi li abbiamo sempre bagnati, col freddo diventano freddi e duri come se fossero die pezzi di legno.
    Die Luft ist starr vor Kälte, das Thermometer zeigt eine Temperatur von unter 17° unter Null an. Wir, die wir draußen arbeiten müssen, 66 wissen nicht, wie wir das überstehen sollen. Man bedenke, dass sobald wir uns auf den Platz begeben, der eiskalte Wind den Schnee ins Gesicht fegt. Der Schnee gefriert dir im Gesicht aufgrund der Temperaturen und bereitet dir unglaubliche Kopfschmerzen. Die Hände und die Füße sind immer durchnässt, und mit der Kälte werden sie schließlich hart wie Holzscheite.
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    Le truppe liberatrici giungono al nostro campo, dopo quattro giorni dalla resa die tedeschi, cioè il 9 maggio, alle 10 circa del mattino. [...] Al loro ingresso nel campo, sono accolti da parte nostra con un caloroso applauso e grida di "hurrà", mentre ci schieravamo nel piazzale come se si dovesse essere passati in rivista. [...] Dai camion vengono scaricate scatole di viveri e medicinali. [...] Al campo dell' Arbeitskommando n°7 ci rimaniamo ancora per quattro o cinque giorni, poi tutti i soldati italiani che erano sparsi nei vari campi di lavoro della zona, siamo riuniti al campo di concentramento di Bremerworde. [...] Giunti a questo campo, la prima cosa che ci fanno fare è un bel bagno, poi disinfezione con il DDT. […] Eravamo infestati di pidocchi grossi come formiche. Eravamo sporchi, che si puzzava lontano un miglio. Il bagno e la disinfezione era proprio la cosa che ci voleva in assoluto. [...] Ci vengono rilasciati i documenti per uscire dal campo, senza limitazione di territorio e di orario.
    Die Befreiungsarmee erreicht unser Lager vier Tage, nachdem die Deutschen aufgegeben hatten, also am 9. Mai um ungefähr 10 Uhr früh. Als sie unser Lager betreten, applaudieren wir und rufen alle „Hurra!“, während wir uns aufreihen, ich habe keine Ahnung warum, als ob wir eine Truppenschau darbieten wollten. Von den Lastwagen werden Lebensmittelkonserven und Medizin abgeladen. Im Arbeitslager „Arbait Kommando Nr. 7“ bleiben wir noch vier bis fünf Tage, ehe sich alle italienischen Soldaten, die auf die unterschiedlichsten Lager verteilt waren, in einem Arbeitslager in Bremervörde, eine Ortschaft unweit der Stadt Bremen, vereinen. Dort angekommen ist das erste, was sie uns machen lassen ein schönes Bad, und danach desinfizieren sie uns mit DDT. Das waren zwei Dinge, die unbedingt notwendig waren. Uns plagten Läuse so groß wie Ameisen. Wir waren so dreckig, dass wir meilenweit stanken. Das Bad und die Desinfektion waren absolut notwendig. Es werden Papiere, um das Lager zu verlassen, ausgeteilt, ohne Einschränkung der Zeit und ohne Einschränkungen des Ortes.