Bau setzt sich aus verschiedenen, sich einander überlagernden Abläufen zusammen. Mich interessierte vor allem ihr Zusammenspiel: Zwei Prozesse laufen vielleicht eine Zeit lang parallel, stützen und verstärken sich, dann bricht der zweite plötzlich ab, so daß sich der erste alleine vorfindet; derweil hat unmerklich schon ein dritter begonnen, durch dessen Hervortreten der Raum seine Beschaffenheit ganz verändert. Oder ein Prozeß läßt durch seine Dominanz einen zweiten gar nicht zu Wort (bzw. Ton) kommen, indem er sich beständig über ihn legt oder bis zur Unkenntlichkeit verformt. Oder ein Prozeß leiht einem anderen seine Stellen, wodurch sich beide zu einer neuen Gestalt verbinden. Oder zwei Prozesse laufen einfach nebeneinander her, gegenseitig ohne Beteiligung und Einfluß, ohne Anziehung oder Abstoßung, Störung oder Verbindung.

Vom Standpunkt eines jeden Prozesses aus hat der Bau eine andere Form. Für den einen Prozeß ist es vielleicht eine beständig ansteigende Linie. Für den anderen eine bis zur Mitte steigende, dann fallende Bewegung. Für den dritten gibt es zwei Punkte, an denen er seine Qualität verändert, quasi in eine andere Dimension tritt. Für den vierten wiederum existieren gar keine geraden Linien, sondern nur Umwegkurven.

So gesehen ist vielleicht das Ineinander Nicht Aufgehende das Thema des Stücks. Auch auf dieser Ebene: Die einzelnen Gestalten und Ereignisse, über die sich die Prozesse gleichsam verwirklichen, sind mehr, anderes als diese Verwirklichung; sie bilden - regional oder global - ein Eigenleben aus, das ihrer ‘Funktion’ möglicherweise entgegensteht. Von ihrem Standpunkt aus sind alle sich irgendwie überkreuzenden Abläufe nur eine Folie, die dazu dient, ihnen für einen kurzen Moment ihren Platz, ihre Wirklichkeit zu geben. Sie sind nur an der Gegenwart interessiert, und so soll der BAU nicht zuletzt das sein, das dem ganz Ungebauten, Losen, Flüchtigen (dem Huschenden, Zischenden, Ausbrechenden, Ekstatischen) für einen Augenblick Verwirklichung gibt.

Partitur

Wolfram Blum, Posaune